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Clean Square
ehemalige Australische Botschaft der DDR

former Australian Embassy in the GDR, August 2018

im Rahmen der Ausstellung Ex-Embassy

 



 

Als vor circa 5.000 Jahren der Ackerbau seinen Anfang fand, mussten sich die sogenannten
Wildkräuter an die sich mehrfach ändernden Gegebenheiten anpassen. Arten, die das nicht konnten,
starben vermehrt aus, die anpassungsfähigen wurden gefördert. Im zeitgenössischen Ackerbau spielen Kalkung und Düngung eine große Rolle, wodurch sich die ursprünglich gezielt unterschiedlichen Böden anglichen, was den Lebensraum der Wildkräuter noch stärker eingeschränkte.
Über den vermehrten weltweiten Handel der letzten Jahrhunderte, kamen viele weitere unerwünschte
Pflanzenarten nach Europa und einige von ihnen passten sich dort den Gegebenheiten an. Als Unkraut wird seit jeher eine Pflanze bezeichnet, die nicht gezielt angepflanzt wird, dadurch unter Umständen unerwünscht wächst und entfernt gehört. Es kann auch den Wuchs und die Gewinnung der sogenannten Kulturpflanzen schädigen. Über den Versuch der Ausrottung der Unkräuter kommt es zur Verarmung des Artenreichtums was auch das Aussterben vieler Tierarten zur Folge hat. Das Ökosystem wird durch die Bekämpfung der Unkräuter brutal und unwiederbringlich gestört. Jede Art stellt allerdings eine einmalige Kombination genetischer Information dar und ist somit ein essentieller Teil unserer Lebensräume. Eine artenreiche und vielfältige Naturausstattung ist wichtig für den Menschen und dient seinen psychologischen Bedürfnissen. In der Stadt können die Unkräuter als Pionierpflanzen verstanden werden. Berlin mit seinen zahlreichen sozialen und räumlichen Umbrüchen ist seit jeher ein idealer Ort für sie gewesen mit seinen Brachen und Bereichen mit ungeklärter Nutzung. Wo es Veränderungen auch temporärer Art gibt, sind die wilden Kräuter wirklich wild und finden ein neues Zuhause. Ihre langen Wurzeln haben Platz in den Spalten und auf den sandigen Hügeln. Sie erlauben es sich, dass Gewesene in Vergessenheit geraten zu lassen und offerieren uns
einen neuen Blick. Darf das wilde Kraut nicht mehr wachsen, kommen Flächen zum Vorschein, die suggerieren das zu sein, nachdem wir uns zu orientieren haben.

In der Arbeit „Clean Square“ betrachte ich Pflanzen aus einem anderen Blickwinkel. Aufgrund des Leerstands des prestigeträchtigen Grundstücks lud ein Immobilienunternehmen KünstlerInnen für eine begrenzte Zeit ein, das Gebäude zu nutzen, bis das Haus in Eigentumswohnungen umgewandelt werden wird. Die Bereiche rund um das Gebäude wurden in dieser Zeit vernachlässigt, so dass sich viele ungebetene Pflanzen auf der Terrasse ausbreiten und ihre Schönheit zwischen den Steinen entfalten konnten. Diese Pflanzen haben jedoch zumindest in Deutschland einen schlechten Ruf, wo man sie „Unkraut“ nennt, und sie somit ihrer Identität enthebt - sie sind nicht einmal ein Kraut, sie sind von keinerlei Wert. Normalerweise sind solche Pflanzen nicht in gepflegten und kultivierten Gärten erlaubt und können nur still vor sich hinwachsen, bis sie entdeckt werden. Diese Nicht-Pflanzen wurden für mich zu einem Symbolen der Gentrifizierung in meiner Heimatstadt Berlin, wo den KünstlerInnen der Raum genommen wird, nachdem sie einen Mehrwert geschaffen haben. Also habe ich auf der Terrasse der ehemaligen australischen Botschaft eine bestimmte Fläche gesäubert, jedoch das Unkraut gerettet, in keramische Werke von Beate Bendel, einer Schülerin von Hedwig Bollhagen (DDR-Keramikerin, die die Fassade des Gebäudes künstlerisch gestaltet hat) getopft und die Pflanzen definiert. Ihr Ursprung, ihr früherer Wert als Heilpflanzen - immerhin 90% der gefundenen Pflanzen - wurden dann in einer öffentlichen Aktion per Lotterie an das Publikum verteilt. Die Empfänger des „Preises“ wurden dann gebeten, sich um ihr „Unkraut“ zu kümmern, seinen Wert zu verstehen und in ihre Umgebung einzuladen.

Around 5,000 years ago, when agricultural techniques began to be applied, so-called wild herbs
were forced to adapt to the changing circumstances. Those species incapable of adapting increasingly
died out, while others were actively encouraged. In contemporary agricultural practice, liming and fertilizer play an important role in this process, leading to the homogenization of originally diverse soils and further reducing the habitat of wild herbs. In more recent centuries, the increase of global trade has meant that many further unwanted plant species came to Europe; some of them adapting to local conditions. The weed has always been understood as a plant that has not been planted in a targeted manner, meaning that it might result in unwanted growth and need to be removed. It can also damage the growth and production of so-called cultivated plants. The attempt to eradicate weeds, however,
leads to the impoverishment of biodiversity, which also results in the extinction of many animal
species. The ecosystem is brutally and irretrievably disrupted by weed control. Each species represents a unique combination of genetic information and is thus an essential part of our habitats. A diverse natural environment is important for humans and serves our psychological needs. In a city, weeds can be understood as 'pioneer plants'. Berlin, with its numerous social and spatial upheavals, has always been an ideal place for them, with its many wastelands and areas of unresolved use. Where changes (also of a temporary form) are planned, wild herbs take over and find a new home. Their long roots seek out cracks and spread through sandy hills. They allow themselves to forget the past and offer a new viewpoint. Where wild herbs are no longer allowed to grow, new places appear. These places project a form that will dictate how we will have to orient ourselves.

In the work „Clean Square“, I looked at plants from a different angle. Due to the vacancy of the prestigious lot, a real estate firm invited artists for a limited amount of time to use the building until its destiny is sealed. The recreational areas around the building became somehow neglected, so that many uninvited plants were able to spread themselves across the terrace, unfolding their beauty between the stones. But these plants have a bad reputation, at least in Germany, where they are called “Unkraut“ (non-plants), which detaches them from their identity - they are not even weeds, they are of no value to no-one at all. Usually such plants are not allowed in refined and cultured gardens, and are only silently able to grow until someone discovers them. To me, these non-plants become symbols of gentrification in my home town of Berlin, where  space is usually first taken away from the artists – after they have added value to it. So I cleaned a particular area on the terrace of the former Australian Embassy saving only the weeds, repotting them into ceramic pieces made by Beate Bendel, a former student of Hedwig Bollhagen (well-known GDR-ceramicist responsible for the building’s facade), defining the plants, their origin, their former value as healing plants - which 90% of the found plants were -, and then re-distributing them in a public act to the audience via a lottery. The recipients of the “prize“ were then asked to take care of their “Unkraut“, understanding its value and inviting it into their environment.

Images 1 and 5 by Joanna Kosowska, images 2, 3 and 4 by Christof Zwiener

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